Fumana arabica

Fumana arabica

Alyssum euboeum

Alyssum euboeum

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Pennisetum orientale
(Orientalisches Federborstengras):

Allgemeines:

Pennisetum orientale: Rispe

Im Rahmen meiner Diplomarbeit hatte ich das Vergnügen, Vorkommen dieser attraktiven Grasart auf der griechischen Insel Euböa zu untersuchen. Die Arten der Gattung Pennisetum werden als Federborstengräser, aufgrund der bürstenartigen Form ihrer Blütenstände auch als Lampenputzergräser bezeichnet. Pennisetum orientale nennt sich demnach „Orientalisches Federborstengras“ oder „Orient- alisches Lampenputzergras“. Im Gartenfachhandel wird gelegentlich auch die Bezeichnung „Feines Lampenputzergras“ gebraucht.

Die Gattung Pennisetum (Familie Süßgräser – Poaceae, Unterfamilie Panicoideae, Tribus Paniceae) beinhaltet rund 80 hauptsächlich in den Tropen verbreitete Arten. Einige Arten werden als Nahrungspflanzen verwendet und zählen zu den Hirsen (so z.B. die tropische Perlhirse – Pennisetum glaucum). Als Ziergräser werden diese Pflanzen vor allem wegen ihrer schönen Blütenstände gezogen, die auch in Trockensträußen Verwendung finden können. Von den frostharten Arten haben einige (z. B. P. alopecuroides) auch in Mitteleuropa als Gartenpflanze Verbreitung gefunden. Das seltener im Fachhandel angebotene Orientalische Feder-borstengras eignet sich besonders für steinige und sehr trockene Standorte. Es bildet ausgesprochen dichte Horste, die am natürlichen Standort bis über einen Meter Breite erreichen können.

Pennisetum orientale: Horst

Horst von Pennisetum orientale im Serpentin-Schutt

Verbreitung:

Das natürliche Verbreitungsgebiet von P. orientale erstreckt sich von Nordafrika über Kleinasien bis nach Nordwest-Indien. In Europa wurde das Gras erstmals 1957 von Dr. Wolfgang Ludwig (Philipps-Universität Marburg) im Rahmen seiner Untersuchungen über Flora und Vegetation in den Serpentingebieten Nordeuböas in der Nähe von Mantoudi an der Ostküste der Insel nachgewiesen. Im Jahr 1983 fand Prof. Dr. Ingeborg Lenski (Philipps-Universität Marburg) weitere Wuchsorte. Im Rahmen meiner von Prof. Lenski betreuten Diplomarbeit untersuchte ich 1992 die Verbreitung und Vergesellschaftung von Pennisetum orientale in Euböa. Im Fokus stand dabei die Serpentinitbindung der Art.

Serpentinit:

Serpentin (aus dem lat.: serpens = Schlange, wegen seiner oft schlangenhautähnlichen Flecken) bezeichnet eine Mineralgruppe. Es entsteht bei der Verwitterung magnesiumreicher Orthopyroxene oder Olivine und ist der Hauptbestandteil des metamorphen Gesteins Serpentinit.

Der Serpentinit Euböas ist den Ophiolithen zuzurechnen. Ophiolithe sind Teile der ozeanischen Kruste, deren basische und ultrabasische Gesteinsserien im Zuge der Subduktion des Ozeanbodens auf das Festland geschoben („obduziert“) wurden.

Serpentinit ist ein außerordentlich brüchiges, klüftiges Gestein. Die Verwitterungsbedingungen bestimmen das Landschaftsbild im Norden Euböas durch die Ausbildung vergleichsweise niedriger, eher sanfter Hügel, welche zudem durch ihre rötliche Farbe in starkem Kontrast zu den höheren und schroffen Kalkgebirgen in der Nachbarschaft stehen.

Was ist das Interessante an Serpentinit? Es besitzt einen toxischen Einfluss auf die Vegetation. Als Ursachen werden hoher Gehalt an Schwermetallen, der hohe pH-Wert des Rohbodens, das hohe Verhältnis von Magnesium zu Calcium bzw. der hohe Gehalt an Magnesium überhaupt, Nährstoffmangel bzw. die Kombination all dieser ungünstigen Faktoren diskutiert.

Serpentinflora:

Die extremen Standortbedingungen des Gesteins haben in Serpentingebieten weltweit zur Entwicklung spezifischer Serpentinfloren geführt. So lassen sich ein ausgeprägter Serpentinendemismus und das Vorherrschen bestimmter Lebensformen beobachten. Überall auf der Welt unterscheidet sich die Vegetation auf Serpentinit deutlich von ihrer Umgebung durch eine geringe Wuchsfreudigkeit der Pflanzen. Typisch sind xerophile, oligotraphente, oft nadeltragende Bäume, die auf der Nordhalbkugel durch die Gattung Pinus repräsentiert werden, sowie sklerophylle Sträucher. Als gegen die toxische Wirkung des Serpentins besonders unempfindliche Verwandtschaftskreise werden in der Literatur unter anderem genannt: die Caryophyllaceen, Plumbaginaceen (Armeria), Brassicaceen (Alyssum), Polygonaceen, Rosaceen (Potentilla), Fabaceen (Thymus, Stachys), Asteraceen und Poaceen, wobei als Lebensformen die Chamaephyten und Hemikryptophyten überwiegen. Die Serpentinpflanzen gelten als genügsame, aber langsam wachsende und deshalb konkurrenzschwache Arten, die den Extremstandort im Gegensatz zu ihren Konkurrenten ertragen können. Serpentinendemiten Euböas sind z.B. Alyssum euboeum, Centaurea ebenoides und Scorzonera serpentinica.

Pennisetum orientale in Euböa:

Pennisetum orientale: Standort

Typischer Pennisetum orientale-Standort auf Serpentinfels

Mein Untersuchungsobjekt tat mir den Gefallen, tatsächlich ausschließlich auf Serpentinit vorzukommen, wodurch in dieser Hinsicht eine klare Aussage möglich war. Pennisetum besiedelt Serpentinit-Fels- und Felsschuttstandorte an der Ostküste zwischen den Ortschaften Mantoudi im Norden und Vlachia im Süden. Die Wuchsorte sind mit hoher Wahrscheinlichkeit natürlicherweise waldfrei oder felsige Sonderstandorte im Kiefernwald. Besonders deutlich wird dies an der Steilküste nördlich des Strandes des Dorfes Pili. An dieser Stelle verhindert die ständige Erosion des brüchigen Serpentinits eine Bewaldung. Die Schuttflächen und Felsen werden von einer Zwergstrauch-dominierten Gesellschaft bewachsen, einer Art Phrygana (so nennen sich meist durch entwaldungs- u. weidebedingte Degeneration entstandene Zwergstrauchformationen in Griechenland, im westlichen Mittelmeerraum als „Garigue“ bezeichnet) auf einem Primärstandort. Die entsprechende Pflanzengesellschaft ist als Stachys cretica – Alyssum euboeum – Gesellschaft beschrieben. Sie gehört zum Verband der Nordägäischen Zwergstrauchfluren Cistion orientale (Ordnung Cisto-Micromerietalia).

Häufige Begleitarten von Pennisetum orientale sind die Halb- und Zwergsträucher Dornige Bibernelle (Sarcopoterium spinosum), Dorniger Wundklee (Anthyllis hermanniae), Quirlblättrige Heide (Erica manipuliflora), Salbeiblättrige Zistrose (Cistus salvifolius), Graubehaarte Zistrose (Cistus incanus), Polei-Gamander (Teucrium polium), Steintäschel (Aethionema saxatile), Fumana arabica und die Thymian-Arten Thymus teucrioides und T. atticus, die Horstgräser Behaartes Bartgras (Hyparrhenia hirta), Festuca callieri und Piptatherum coerulescens.

Die Lücken zwischen den ausdauernden Arten werden im Frühjahr von einer Vielzahl von Therophyten bewachsen. Besonders häufig sind Zweiährige Zwenke (Brachypodium distachyon), Arenaria leptoclados, Mittelmeer-Trespe (Bromus madritiensis) und Dreigriffeliger Lein (Linum trigynum). Die wichtigste Kontaktgesellschaft ist der Aleppokiefern- (Pinus halepensis-) Wald mit Quirlblättriger Heide (Erica manipuliflora) im Unterwuchs (Erica manipuliflora – Pinus halepensis – Gesellschaft).

Was lässt sich schlussfolgern? Pennisetum orientale ist in Euböa vermutlich indigen. Es besiedelt an seinem nordwestlichen Arealrand konkurrenzbedingt Extremstandorte auf Serpentinit. Eine Ausbreitung auf anthropogene Sekundärstandorte (Wege, Schneisen, Brachen) ist nicht erkennbar.

Ist das natürliche Vorkommen der Art in Europa gefährdet? Wohl kaum. Viele der Wuchsorte sind schlecht zugänglich und mit Ausnahme der praktizierten Ziegenbeweidung landwirtschaftlich nicht nutzbar. Das Serpentinitküste ist mit Ausnahme kleiner Buchten (z.B. Bucht von Atalantos, Daphnopotamos-Mündung bei Mantoudi) wenig attraktiv für eine Besiedlung oder touristische Erschließung.

Veröffentlichung:

Die Ergebnisse der Untersuchung sind veröffentlicht unter dem Titel:
Pohl. G. & I. Lenski (2004): Zur Verbreitung und Vergesellschaftung von Pennisetum orientale RICH. in Nordeuböa (Griechenland) (Poaceae, Paniceae). Senckenbergiana biologica 83 (2), S. 209-223. – Frankfurt am Main.
Bezug über die E. Schweizerbart`sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller) – Stuttgart oder direkt über den Buchhandel (ISSN 0037-2102).

Abstract:

The occurence of Pennisetum orientale RICH. in Euboea (Greece) discovered by LUDWIG in 1957 (LUDWIG in RECHINGER 1961) has been confirmed. Several other places have been located by the authors since 1983. The areal of the species is restricted to serpentine soils near the east coast of Euboea between the Daphnopotamos valley in the north and the village Vlachia in the south. It is strictly connected to the Stachys cretica-Alyssum euboeum-Community (Cistion orientale, Cisto - Micromerietea) and characterizes variants on serpentine rocks and debris near the sea. The restriction to extreme locations, the scattered distribution patterns and the low tendency to expand give reason to consider Pennisetum orientale as a native species or one introduced to Euboea long ago. The grass being a serpentine relict is a possibility to be discussed.